Manche meinen, die E-Mobilität ist bereits in der Gegenwart angekommen. Die Reichweiten steigen, die Infrastruktur wird stetig ausgebaut. Also alles leiwand? Die Politik gibt die Richtung vor, die Hersteller folgen halbwegs enthusiastisch. Letztlich bleibt ihnen keine Wahl, von dem her ist es auch nur würdig und recht, dass sie ihre großen technologischen Würfe feiern. Tatsächlich bestehen dafür mehr als genug Gründe, die Entwicklung im gesamten Bereich E-Mobilität ist nicht von schlechten Eltern. Die Reichweiten wachsen, die Akkus werden moderner, die Ladeinfrastruktur wird dichter. Doch reicht das für einen entspannten Alltag?
Geht es rein nach den Modellen, ihren Fahrleistungen, ihrer Aufmachung und ihren Platzverhältnissen definitiv ja. Dahingehend haben uns alle überzeugt. Arrivierte wie VW mit seiner ID-Familie, sportliche wie der Cupra Born, Superstars wie der Porsche Taycan oder der BMW i4 M50 und gänzlich Neue wie die Marke MG. Die ansatzlose und lautlose Beschleunigung, die in den höherwertigen Modellen souverän agierende automatische Rekuperation und die feinen Platzverhältnisse haben uns in beinahe jedem Modell überzeugt.
„Noch aber werden wir bei jedem Test eines Elektroautos zuerst nach der Reichweite gefragt.“
Und noch liegt hier für viele der Hund begraben. Anständige WLTP-Reichweiten hielten unserem Alltag schlicht nicht stand. Da reichen oft vermeintliche Kleinigkeiten wie eine kalte Nacht, ein Fahren im Normal- statt im Ecomodus, ein voller Kofferraum. Kommt man dann noch auf die grundsätzlich nicht völlig aus der Luft gegriffene Idee 140 km/h auf der A1 von Linz Richtung Süden zu fahren kann es sein, dass schon ein Trip zum Wörthersee eine Herausforderung wird.
Dazu kommt, dass das Thema Ladestationen noch irgendwo zwischen eingelösten und weit in der Zukunft liegenden Versprechen liegt. Sagen wir wo, die gute Infrastruktur entlang der Hauptverkehrsrouten beginnt angesichts stetig steigender Verkaufszahlen schön langsam zu bröckeln. Besetzte Ionity-Schnellader oder Tesla-Supercharger sind keine Seltenheit mehr, und da reden wir noch gar nicht von Stoßzeiten á la Haupturlaubszeit. Entfernt man sich von Autobahn&Co. geht es dann auch noch mit den Schnellladern rapide zurück.
Hängt man dann doch mal am Strom ist noch zu beachten, dass die angegebenen Ladeleistungen sowohl von den Modellen als auch von den Ladeanbietern im selben Märchenbuch wie die WLTP-Reichweiten stehen. Nicht beeinflussbare Faktoren wie Temperaturen und Auslastung geben hier den Ton an. Ein mit 300 kW-Ladeleistung angepriesener Hypercharger speist einen dann schon mal gerne mit 70 kW ab. Das erhöht die Standzeit, was wiederum die Kosten in einem eh schon schwer zu durchschauenden Tarifdickicht erhöht.
Wie sieht es mit einer Kaufempfehlung aus?
Nur mit Vorbehalt. Tatsächlich ist ein entspannter Alltag mit dem eigenen E-Auto und Wallbox zu Hause und/oder am Arbeitsplatz ohne weiteres möglich. Man muss sich einfach gut informieren, wissen worauf man sich einlässt und sich dann danach richten. Und auch leisten muss man es sich wollen. Noch sind Elektroautos trotz staatlicher Förderung spürbar teurer als ihre fossilen Pendants, die aktuellen Stromkosten tragen das Ihre dazu bei.