Es ist nicht immer leicht, Legenden als Vorfahren zu haben. Deren Strahlkraft kann einem weiterhelfen aber auch völlig überstrahlen. Unterm Strich muss der Audi R8 plus schon gehörig was drauf haben, um als Nachfolger der Quattro-Legende zu bestehen.
Quattro zum Quadrat
Vom Supersportwagen der Achtziger in die Neuzeit. Anfang der Achtziger lancierte Audi mit dem Quattro einen für damalige Verhältnisse richtig heißen Sportler. Ferdinand Piëch – damals Vorstandsvorsitzender bei Audi – löste damit einen regelrechten Allrad-Boom aus und wirbelte die Sportwagenlandschaft ordentlich durcheinander. Revolutionär war der Einsatz von permanentem Allrad rein zur Förderung der Traktion auf asphaltierten Straßen. Mit fünf turbogeladenen Zylindern, 200 PS und eben Quattro-Antrieb stellte das handkanten-gestylte Coupé das sportliche Spitzenmodell von Audi dar. Eine Karriere im Rallye-Sport war aufgelegt. Es folgten teils monströse Weiterentwicklungen in der Rallye Gruppe B, die im legendären Flügelmonster S1 mit dem fulminanten Sieg beim Pikes Peak Rennen gipfelten. 1991 lief der letzte Ur-Quattro vom Band und Rallye-As Walter Röhrl chauffierte ihn höchstpersönlich aus der Fertigungshalle. Den Quattro gibt es mittlerweile nur mehr handverlesen als teuren Klassiker. Der Quattro-Antrieb hat sich aber bis heute gehalten. Er wurde von Audi liebevoll weiter verfeinert und lässt sich bei jedem modernen Audi einfach als Extra mit bestellen. Heute dient er hauptsächlich der Sicherheit und sorgt für Traktion bei schlechter Fahrbahnbeschaffenheit.
“Im Prinzip bist du bei dem Auto mit dem Denken schon zu langsam.”
Walter Röhrl – über den Audi Sport Quattro S1
Gut 35 Jahre nach dem ersten Ur-Quattro treffen wir nach einer längeren Testfahrt vor dem Luxushotel Park Hyatt Vienna ein. Die sportliche Speerspitze der Ingolstädter hat sich leistungsmäßig mehr als verdreifacht. Schlicht Audi R8 plus nennt sich das gestylte Ding, sogar an diesem Platz wird diesem Boliden nachgeschaut. Es wird nicht mehr von fünf sondern von zehn Zylindern angetrieben und auch aus den agilen 200 PS wurden derer satte 610. Das Chassis des zweisitzigen Audi R8 besteht nun aus einem klugen Mix aus Verbundwerkstoffen und Aluminium, dies sorgt für niedriges Gewicht und hohe Verwindungssteifigkeit. Quattro-Antrieb ist natürlich auch an Bord – hier werkt er klarerweise in elektronisch hochgegitzter heckbetonter Ausführung.
Was der R8 plus damit auf der Straße anstellt ist nicht von dieser Welt. Während man in der top gestylten Cockpit-Höhle residiert, sich durch das Infotainment-System tippt und die edlen rautengesteppten Sportsitze genießt, werden vom Drehmoment brüllend Berge geebnet und dank Superkleber-Fahrwerk Kurven gefressen. Fordern lässt sich so ein R8 höchstens auf der Rennstrecke und auch nur wenn man Walter Röhrl heißt. Auf der Straße sind das Limit immer die „Balls“ des Fahrers – der Wagen selbst könnte alles besser und schneller – immer. Die großartige Karriere des Audi Quattro als World Rallye Car bleibt dem R8 erspart, er verdient sich aktuell seine Sporen erfolgreich als Langstreckenrenner.