Grundsätzlich sind das Besitzer eines Rolls-Royce ja gewohnt. Autos werden hier nicht durchkonfiguriert, sie werden entworfen. Produziert wird lediglich was auch in Auftrag gegeben wird, entsprechend endlos sind die Möglichkeiten. Neben den üblichen Optionen wie Farbe, Lederbezug oder Holzsorte tun sich beim Cullinan angesichts seiner Geländefähigkeit aber ganz neue Fragen auf. „Muss ich meinen Chauffeur zum Offroaddriver umschulen? Und wenn ja, wer bezahlt mir das?“ zum Beispiel.
Die Frage,
wann die Spitze der
SUVitis erreicht ist,
dürfte mit dem
Rolls-Royce Cullinan
beantwortet sein.
Jetzt geht es „nur“
noch um Details.
Die Frage nach der Kostenübernahme wirkt sinnbefreit. Wer abenteuerliche EUR 402.800,00 für ein Auto ausgibt, wird sich auch ein 3-tägiges Fahrtechnikseminar inklusive Übernachtung für seinen Mitarbeiter leisten können. Und die Ausgaben wären nicht nur steuerlich absetzbar, sondern auch sinnvoll angelegt. Denn der Cullinan hat tatsächlich ein hohes Potential im Gelände. Die Konzernmutter steuert hier alles bei was es braucht, am Ende stehen Allradantrieb, Allradlenkung, Luftfederung, Offroad-Fahrprofile und eine Watttiefe von 54 Zentimeter auf der Habenseite. Ob und wie sehr ein Cullinan diese Talente jemals abrufen wird müssen steht wieder auf einem anderen Blatt Papier.
Wir haben hier quasi eine Deckungsgleichheit mit 08/15-SUV´s entdeckt. Die Einzige, um es gleich vorweg zu nehmen. Denn auch wenn sich der Kaufpreis von zwei BMW X7 und einem Z4, alle mit Top-Motorisierung und Vollausstattung, nicht sofort erschließt so spürt man doch, das hier ist mehr als ein Auto. Hilfreich kann sein, wenn man einen kleinen Blick in die Produktion bei Rolls-Royce erhaschen kann. Holz und Leder findet man heutzutage ja auch schon bei manch Koreanern. Bei Rolls Royce aber werden, etwas überspitzt formuliert, die saftigsten Bäume vor dem Fällen umarmt und die schönsten Rinder ins Jenseits gestreichelt.
Akribisch werden Felle und Holzsorten entsprechend der individuellen Bestellungen ausgesucht und per Hand verarbeitet. Bei den Briten ersetzt der Mensch die Maschine. Eine Grundvoraussetzung, um auch wirklich alle Wünsche der Kunden erfüllen zu können. Und davon gibt es in der Welt der Superreichen genug, der Hang zur Extravaganz dürfte direkt an den Kontostand gekoppelt sein. Nur die zeitlos elegante Emily verbittet sich ein herumdoktern. Soll der Kunde seinen Cullinan ruhig in Altrosa bestellen, sich sein Familienwappen in feinstes Edelholz gravieren lassen, „Spirit of Ecstasy“ bleibt wie sie ist und wo sie ist. Lediglich bei zu festem Griff taucht sie elektrisch in die Kühlerhaube ab.
Dahinter lauert ein Motor, als wäre er aus der Zeit gefallen. 6,7 Liter V12, 571 PS, 850 Newtonmeter maximales Drehmoment, Verbrauch nicht unter 15 Liter auf 100 Kilometer. Da kann es einem schon die Schamesröte ins Gesicht treiben, einmal Vollgas ist gleich minus ein Eisberg. Nein, so schlimm ist es nicht, letztlich rettet die bescheidene Stückzahl die Ökobilanz. Unabhängig davon sind das Triebwerk und der Cullinan ein Traum von Masse mal Beschleunigung. In 5 Sekunden schiebt der V12 den 2,6 Tonnen schweren Luxusdampfer auf 100 km/h, bei 250 km/h wird abgeriegelt.
Die heilige Dreifaltigkeit des gehobenen Reisens komplettieren die absolute Stille und der grenzenlose Komfort. Die Entkoppelung von der Außenwelt ist vollständig und ohne Wenn und Aber. Neben den Fahrwerkskomponenten entschärft vor allem das kamerabasierte Luftfahrwerk in vorauseilendem Gehorsam Kanaldeckel&Co. So zieht die Welt an einem vorbei, fast wie einem Film. Das viel zitierte Gefühl vom schwebenden Teppich stellt sich ein, nur dass der Teppich in dem Fall der Inbegriff von luxuriösem Reisen ist und wir weder Aladdin noch Jasmin heißen.
Beim Design wurde gar nicht großartig versucht, diese Wucht an Auto durch irgendwelche Kniffe etwas zu reduzieren. Der Cullinan ist zwar kürzer als ein Phantom, verfügt dank der wuchtigen Front aber locker über die selbe Präsenz. Ganz neu ist für einen Rolls-Royce die Heckklappe. Dahinter verbirgt sich eh klar ein feinstens ausstaffierter Kofferraumen. Aber nicht nur, auf Wunsch baut sich via Knopfdruck eine edle Sitzlandschaft bestehend aus zwei Stühlen und einem Tisch auf. Der Cullinan ist demnach nicht nur ein Super-SUV, sondern auch noch ein Mobile Home. Campingplatz wir kommen!
Shooting-Location: Falkensteiner Schlosshotel Velden