Viele Testautos haben wir kommen und gehen gesehen, eine G-Klasse war bis jetzt noch nie dabei. Entsprechend groß waren Respekt und Vorfreude.
Die G-Klasse wird seit 1979 produziert. Für den Großteil unserer Redaktion ist das quasi kurz nach Aussterben der Dinosaurier. Als solchen könnte man die G-Klasse selber auch beschreiben. In Teilen nicht ganz zu Unrecht, am Exterieur ging jeder Trend der letzten vier Jahrzehnte komplett spurlos vorüber. Bei normalen Autos ein schweres Manko, eine Notwendigkeit für jene, die sich Ikone nennen können.
Freilich ist auch für Ikonen Stillstand keine Option, es gelten halt andere Maßstäbe. Heißt beim G konkret, dass sein Design zwar ein kleines Lifting erhielt, der neue Jahrgang aber letztlich so aussieht wie jeder andere Jahrgang vor ihm. Ein Schrank ist ein Schrank ist ein Schrank. Nach wie vor feiert das Exterieur des Mercedes den rechten Winkel, verwundern und begeistern die nostalgischen Türgriffe und knallen die Türen mit einem lauten Geräusch zu.
Ganz anders das Interieur. Einsteigen hat etwas von einer Zeitreise, plötzlich landest du mitten im Jahr 2025, umgeben von digitalen Anzeigen, 12,3“ Touchscreen, MBUX Entertainment, Nappalederpolsterung, elektrisch verstellbarem Lederlenkrad und Burmester 3D-Sound. Es dominiert schon auch ein kantiges Layout, die absolut perfekte Verarbeitung und die hochwertigen Materialien erschaffen aber ein Wohlfühlambiente der ganz besonderen Art.
Ähnlich ambivalent gestaltet sich alles rund um den Antrieb. Klassisch Offroader für wirklich alle Fälle verfügt die G-Klasse über einen Leiterrahmen, einer Starrachse hinten, drei Differentialsperren und Gelände-Reduktion. Dem gegenüber stehen moderne Spielerein wie eine „transparente Motorhaube“ für den ungetrübten Blick vor bzw. unter das Auto. Gipfeln tut das Ganze im vollelektrischen G 580 mit EQ Technologie. 1.164 Newtonmeter aus vier E-Motoren und eine mögliche 360° Drehung am Stand („G-Turn“) sind, na ja, schon ein Wahnsinn.
Den wir nicht fuhren. Unser Test-G war ein 450 d, als mehr oder weniger vernünftiger Diesel sicher der stimmigste Antrieb. Freilich, mit dem Wort „Vernunft“ sollte man vorsichtig umgehen. Wenn 367 PS aus dem Bi-Turbo samt zusätzlichen 20 PS aus der mild-hybriden Ecke den über 2,5 Tonnen schweren Benz in 5,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h katapultieren, kommt die Vernunft schlicht nicht hinterher. Da tun sich Urgewalten auf, in Summe 950 Newtonmeter, die über Allrad und 9-Gang-Automatik herfallen. Eh klar zeigen sich beide davon unbeeindruckt.
Via adaptiver Dämpfer machen auch asphaltierte Straßen Spaß, natürlich unter Berücksichtigung physikalischer Naturgesetze. Ganz allgemein gilt für die G-Klasse ähnliches wie für Supersportwagen: Seine Grenzen lassen sich nur erahnen. Vor allem Offroad kosten der G-Klasse Feldwege, Randsteine und vielleicht mal eine verschneite Bergstraße nur ein Lachen. Flussdurchfahrten bis 70 Centimeter, Schräglagen von bis zu 35°, bis zu 100° Steigfähigkeit, dass wäre seine Welt.
Will man das mit seinem G wirklich? Kann sein. Mit Blick auf 165.090,00 EUR Kaufpreis wird man sich das aber zweimal überlegen. Bei den 200.966,99 EUR für unseren voll ausgestatteten Testwagen eher dreimal.
Echt lässig:
Die Ewigkeit, für welche die G-Klasse scheinbar entworfen wurde.
Echt stressig:
Im Kopf – Nashörner von links. In echt – alte Tiefgaragen.
Echt fett:
Sein imposantes Auftreten.
Echt schade:
Dass wir gefühlt nur 50% seiner Talente erfahren durften.
Daten Mercedes Benz G 450 d
Motor: 6-Zylinder Bi-Turbodiesel/Mild-Hybrid
Leistung: 367 PS
Max. Drehmoment: 950 Nm
Testverbrauch: 9,8 Liter
Vmax: 210 km/h
0 auf 100 km/h: 5,8 Sek
Preis ab EUR 165.090,00